Reiseberichte

Diese wunderbaren Reiseberichte haben wir von unseren TeilnehmerInnen erhalten. Wir danken Euch ganz herzlich dafür!

 

Katharina

Abendstimmung

Wir sitzen im „Salon“ und lassen den Tag ausklingen. Es gibt marokkanischen Tee und gewürzten Kaffee, herrlich! Ich geniesse den lauen Abendwind und die feinen Getränke nach dem sehr heissen Tag mit viel ebenso warmem Trinkwasser. Ganz besonders habe ich mich gefreut über all die kleinen und grossen Dinge, die mir unsere Begleiter gezeigt haben. Ich hätte sie nicht gesehen oder mehr Zeit gebraucht, um sie zu entdecken. Da waren winzige Tierspuren im Sand, besondere Steine, einmal sogar eine Blüte einer Wüstenpflanze und eine Springmaus, ein Ziehbrunnen mitten im Nichts. Auf dem Weg gefiel mir das Geplauder der Berber, sie hatten sich immer etwas zu erzählen und lachten miteinander. Worüber redeten sie wohl, ich hätte gerne etwas erfahren. Gleichwohl genoss ich auch das stille gehen oder reiten, lauschte der Klänge der Wüste. Des Nachts war es ganz still, lautlos, zeitlos. Ich fühlte mich geborgen in der Sanddüne unter dem weiten Sternenzelt. Noch nie habe ich so viele Sterne gesehen, mit dem Feldstecher zog es mich in unendliche Weiten. Freudig erblickte ich mitten in der Nacht das Sternbild Orion und die abnehmende Mondsichel.

Danke allen, die mir etwas gezeigt oder sonst in einer Art mitgegeben haben. Ich höre noch heute die verbindenden Trommeln, Stimmen und Lieder.

 

Elsbeth, Oktober 2015

Impressionen des Wüstentrekkings in Marokko

Wüstennacht im Freien

Feiner Sand umschmeichelt die nackten Füsse

Strahlender Sternenhimmel

Augen, die offen bleiben möchtenInmitten der Milchstrasse lächelt mir Kassiopeia zu

Geborgenheit in der lebendigen Stille

Heilende Ruhe

Sanftes Hinübergleiten in den Schlaf

Die Mondgöttin weckt mich leise auf

Ihr sanftes Licht breitet sich über die Dünen aus

Trommelschläge künden den Morgen an

Reiten auf dem Dromedar

Abenteuerliches Auf- und Absteigen

Geführt und getragen werden

Vertrauen in die sicheren Schritte des Dromedars bekommen

Stabilität in der Mitte finden und dennoch beweglich bleiben

 

Glück und Dankbarkeit

Licht- und wärmespendende Sonne

Wunderschöne Farben und Formen in der Wüste

Eindrucksvoll zieht die Karawane über die Dünen

Gemeinschaft erleben und spüren

Im Schatten einer Tamariske rasten

Dem eigenen Dromedar Orangenschalen bringen

Den Tee und das feine Essen geniessen

Ein kühler Windhauch in der Mittagshitze

Nicht gebunden sein an schmale Wege

Freiheit der Weite erfahren

Zusehen, wie die Sonne hinter den Dünen versinkt

Scheinbar gemächliches Vorankommen

 

Es isch heiss!

D’Sunne stigt höcher, s’Thermometer demit –

bi ca. 33° mag’s nüme witer mit.

Mir träumed vo Glacé und emene Swimmingpool,

s’Wasser i de Fläsche isch alles anderi als cool.

Dä fein z’Mittag vo de Berber holt euis churz us de Lethargie,

doch chuum hämer gässe, schwitzed mer wieder still vor euis hi.

In höchster Verzwiflig rüeft d’Barbara: “Ich wott hei!“

Mit dem Wunsch isch si vermuetlich nöd ganz elei.

Niedergar gkoched bestiged mer schlapp s’Dromedar,

müend zum Glück nöd selber laufe, wie wunderbar.

D’Sunne brennt vom Himmel, si schlicht sooo langsam dehi,

ach, wär‘ doch endlich die Hitz verbi!

De Karbusch, wo euisi Not und Verzwiflig gspürt,

entschlosse zu de Trummle vo de Cornelia grift.

Mit Rhythmus und berberischem Wechselgsang

dunkt euis de Ritt zum Schlafplatz vil weniger lang.

 

 

Bettina, Oktober 2015

Rgibi

Ich bin Rgibi. Ich bin ein helles, grosses Dromedar. Meine Vorfahren kommen aus Mali/Algerien. Wir sind Renndromedare, d.h. für Lasten werden vorwiegend dunkle, kleinere marokkanische Dromedare verwendet. Ich habe jetzt Pause und nur mein Höckersattel ist um meinen Körper gebunden. Die Last hat mir mein Chamelier Mbark abgenommen, dafür hat er das Leitseil, mit dem ich geführt werde, und das mir um den Unterkiefer hinter den Zähnen eingehängt wird, um die Vorderbeine gebunden. So kann ich noch feine Tamarisken und Büsche fressen, aber keine grossen Sprünge mehr machen.

Bis vor 4 Tagen waren wir Hengste den ganzen Sommer auf der Weide. Dann wurden wir geholt und getränkt. In einem Hof wurden wir beladen und haben auf unsere Reiter gewartet. Wir waren etwas nervös, wohin geht die Wanderung, wie lange und vor allem, wer ist unsere Reiterin? (Die grossen Männer werden sicher wieder auf den marokkanischen Dromedaren verteilt). Jeh, da kommen sie, bei mir steigt eine Frau auf, die sieht aus wie der Himmel beim Einnachten und ihr Kopf sieht man fast nicht hinter dem Wolkengebilde. Aber wie sie alle stinken – wirklich menschlich! Aber im Laufe unserer Wanderung vergeht es allmählich – zum Glück. Jetzt macht mir Mbark das Zeichen zum Aufstehen – sie macht ganz ordentlich mit, obwohl am Anfang halt jeder etwas steif ist. IIIhhh – was ist das für ein Schrei – fast wäre ich losgerannt, ich bin ja soo sensibel. Bei meinem Kollegen hinter mir schreit eine Frau. Ist sie wohl störrisch oder  etwa krank wie unser armer Gazim?  Die Schamanin hat Gazim etwas eingeflösst, jetzt ist er wieder auf den Beinen. Ich bin das Leittier, bei mir werden noch zwei weitere helle Dromedare angehängt – und nun dürfen wir endlich ausschreiten…. Mein Mbark führt mich sicher und sucht den besten Weg – Steine mag ich nicht besonders, meine Füsse sind sehr zart!

Jetzt hat die Reiterin den Dreh raus und wiegt sich mit mir im Takt. Sie hat auch gelernt, wie ich die Orangenschale gerne esse – als ganzes Stück nämlich. Am ersten Tag hat sie viele Stücke gereicht, die alle am Boden landeten. Jetzt hält sie mir die Schale hin, die ich mit meinen sanften Lippen packen kann. Sie streicht noch über den feinen Mund und tätschelt mir den Hals. Ich schmuse so gerne! Wenn ich jedoch den Kopf zu schnell nach hinten drehe, erschrickt sie und geht weg – schade. Da ist die Schmusenomadin ganz anders, sie schmust mir Onoro und gibt ihm leckere Bissen – nur ja nicht hinschauen.

Heute sind wir am Festplatz vorbeigekommen, wo ich jeden Frühling viele meiner Artgenossen treffe. Da haben wir Zeit zum Beschnuppern und rivalisieren – eine echte Freude! Dort haben wir heute die Richtung gewechselt. Also treffen wir morgen beim Brunnen ein – für uns dringend nötig, denn wir haben 4 Tage keinen Tropfen Wasser gesehen. Dort werden uns die Berber verwöhnen und Kübel um Kübel in die Tränke giessen, bis jeder sattgetrunken ist. Dort haben wir kein Führseil und auch keine Beinsperre, niemand denkt mehr an die Stuten und will davonlaufen.

Auweh – jetzt habe ich geträumt. Mbark ist da und will mich neu beladen. Ich reklamiere kurz, wie sich das gehört und lasse dann sämtliche Matten, Decken, Körbe und wieder Decken festmachen. Ein Tier ums andere wird aufgefordert aufzustehen. Was ist heute nur los hinter mir? Jetzt schreit es wieder entsetzlich – meine Nerven! Nicht nur beim Aufstehen, auch wenn wir eine steile Sanddüne hinunterrutschen kommen diese Schreie – Mbark beruhigt mich – er versteht mich sehr gut. Ich komme ins Grübeln: Die Reiter auf dieser Wanderung sind immer zwei und zwei zusammen. Auch wenn sie zu Fuss gehen berühren sie sich und tasten uns gut ab, bevor sie aufsitzen – irgendetwas ist anders, hängt das mit dem Schreien zusammen? Ich laufe doch so vorsichtig, da fällt niemand herunter.

Oh – welcher Duft! Der Wind hat gedreht und ich rieche meine Dromedardame. Aber wenn der Wind so dreht, dann wird er morgen noch stärker und es wird Sand in der Luft mitwirbeln. Das ist für uns kein Problem: meine Nasenlöcher kann ich fest verschliessen und bei den Augen kann ich 2 Lider einsetzen, die kleinen Ohren lassen sowieso keinen Sand hinein. Chamelier und Reiter jedoch kennt man kaum mehr. Nur die Augen oder ihre dunklen Scheiben sieht man, alles andere ist unter ihrem Chech gut zugedeckt.

Ja, hier bin  i c h  zu Hause und auch mein Mbark braucht mich, um sich in der Wüste zu bewegen. Ohne uns Dromedare würde niemand da draussen schlafen können, könnte niemand die leuchtenden Sonnenauf & -untergänge bestaunen. Jeder Mensch würde hier draussen verdursten und verhungern.

Nur wir nicht, die Dromedare.

Nur ich nicht – Rgibi, das schönste, hellste, schnellste, stolzeste und sensibelste Dromi der Sahara.

 

Adrian, Chef Betreuer

Nach zwanzig Jahren Erfahrung als Begleiter von Blinden und Sehbehinderten auf den Langlaufskiern habe ich mich mit Wüstenreisen Plus auf völlige Neue Pfade gewagt – ein Trekking in der Wüste.

Das Erlebnis war einmalig, die Intensive Zeit draussen in der Natur, mit den Dromedaren und den wunderbaren Sternenhimmel ist unübertrefflich. Dies mit einem voll Blinden Menschen zu Teilen, sich aus zu tauschen über seine Empfindung und das Glück zu haben, die Visuellen Bilder ihm zu ergänzen war eine sehr eindrückliche und spannende Erfahrung. Als Höhepunkte waren sicher die gemeinsamen Sonnenaufgänge – ich visuell er über die Wärme – Einmalig.

Trotz 24 stündiger Begleitung und Betreuung konnten wir die Woche wunderbar geniessen, dies sicher nicht zu Letzt weil es einfach nichts anderes gab als die Mitglieder der Gruppe, die Dromedare, viel Zeit, viel Ruhe, ein langsamer beschaulicher Tag und absolut keine Fremdeinflüsse – zurück zum Ursprung.

Was mich ebenfalls faszinierte, war das grosse Gespür, das die Berber für die ganze Gruppe hatten und die wunderbare Verpflegung die sie täglich liebevoll für uns zubereiteten. Einmalig war auch die Symbiosen hafte Verbindung der Sehbehinderten mit ihren Dromedaren.

Es gäbe noch viel zu erzählen – dies würde aber den Rahmen sprengen meine Empfehlung – selber erfahren.

 

Cornelia Wiedmer, Wüstenreisen Plus / Shima Davos

Der Mut der Menschen mit Sehbehinderung auf ungewohntem Boden neugierig vorwärts zugehen berührt mich sehr und sogar auf der nächsten erhöhten Ebene auf dem Dromedar sitzend, ist ihre Abenteuerlust grösser als die Angst.

Nach zwei Tagen sitzen die Menschen, die sich nicht mit den physischen Augen orientieren können, wie Königinnen und Könige auf ihrem Dromedar. Nur bei näherem Betrachten fallen Unterschiede zu den sogenannt Sehenden auf, so wirken die Menschen mit Sehbehinderung in sich gesammelt, in konzentrierter Meditation, der Blick scheint aus der Körpermitte zu kommen und der ganze Körper ist sehend.

In Heiterkeit, Gelassenheit und Humor begegnen diese Menschen den kleinen Missgeschicken des menschlichen Lebens, anstatt im Schreck des Unvorhergesehenen zu erstarren, lachen sie von Herzen über sich und die Andern und das ist wohltuend und heilend.

Die Schönheit der Wüste wird über die Anwesenheit der Menschen mit Sehbehinderung noch hervorgehoben. Wenn ihre Silhouetten und die ihrer Begleiter in der Abendsonne auf der Düne erscheinen und sie in mehreren Zweiergruppen über die Dünen gehen, leuchten ihre Körper, sie selbst erkennen durch die Wärme und das Licht die Sonne und Himmel und Erde sind ganz nah.

Voller Aufregung fiebern wir gemeinsam dem Sonnenaufgang entgegen, ein riesengrosses Farben-Licht-Spektakel, das nicht nur mit den physischen Augen, sondern über alle Poren wahrgenommen wird. Ein abschliessender Jauchzer befreit Lebenskraft und öffnet Herzen.

Durch das Ausgerichtet sein aufeinander, durch das kontinuierliche Begegnen und das sich Erzählen der Naturereignisse entsteht eine selbstverständliche Gemeinschaft, jede und jeder ist in einer natürlichen Weise weniger nur auf sich selbst bezogen und erfährt sich dadurch neu.

Die Menschen mit Sehbehinderung haben einen grossen Reichtum an inneren Bildern. Und es ist eindrücklich mit wie wenig Worten von uns Sehenden, sie ihre farbige Welt der Formen und Gestalten erschaffen können.

 

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